Anzeige
Mittagessen mitten im Wald. Eben noch war ein spektakulärer Wasserfall zu sehen. Nun Tannen, so weit das Auge reicht. Mücken tänzeln um Farnkrautgewächse. Dünner Nebel hängt noch über den Bäumen. Doch weder Feuchtigkeit noch Kälte noch Mücken stören das Mahl. Stofftuch, Serviette, Porzellangeschirr: Unser Tisch steht im Trockenen. Nur die Fensterscheibe des Zuges trennt ihn von der Wildnis.
Anzeige
Der Kellner serviert Beefsteak mit gerösteten Kartoffelspalten. Dazu ein Glas kanadischen Sumac-Ridge-Merlot von 2017. Während des Hauptgangs steht der Zug, der Lokomotivführer muss ein paar Güterzüge aus der Gegenrichtung abwarten. Noch bevor der Kellner zum Dessert eine Tarte mit Mousse au Chocolat reicht, rattert er wieder los.
Willkommen im Speisewagen des Rocky Mountaineer, einem kanadischen Luxuszug auf der Strecke von Vancouver am Pazifik nach Jasper, Hauptort des gleichnamigen Nationalparks in der kanadischen Provinz Alberta. Auf einer Strecke von 900 Kilometern schlängelt sich der Rocky Mountaineer zwei Tage lang parallel zu mehreren Flüssen durch eine atemberaubende, fast menschenleere Berglandschaft durch den Wilden Westen Kanadas.
Anzeige
Während der Pandemie musste der Luxuszug, der berühmt ist für seinen gläsernen Panoramawagen, länger pausieren. Inzwischen ist er wieder gut gebucht. 2019 war für das Zugunternehmen ein Rekordjahr, das soll 2023 wiederholt werden. Start für die West-Ost-Touren (drei sind im Programm, siehe unten) ist jeweils in Vancouver, wo es seit 2005 einen eigenen Bahnhof gibt, die Rocky Mountaineer Station.
Vom Panorama-Abteil genießt man die beste Aussicht
Chase und Travis, die beiden Stewards, hatten auf unserer Reise gleich zu Beginn die Sicherheitsvorschriften erläutert. Feuerlöscher, Notausgänge, solche Sachen. Kurz nach der Abfahrt, als der Zug sich seinen Weg durch die dicht bebauten Vorstädte Vancouvers bahnte, gab es bereits Tee und Rosinenkekse.
Lesen Sie auch
Advertorial Kreditkarten
Mehr von dem, was du liebst: Die Platinum Card
Nach gut zwei Stunden dann das Gegenprogramm: Natur, Natur, Natur. Dank der gebogenen Glasscheiben, die bis zum Dach reichen, bieten die Panoramaabteile im Oberdeck beste Sicht. Weite Teile der Reise wird es entlang des Fraser River gehen, des längsten Flusses in der Provinz British Columbia, bekannt für seinen Reichtum an Lachsen. Nebel steht über dem Gewässer. Kein Mensch weit und breit.
Anzeige
Eine Treppe führt in den unteren Teil des Waggons, das Zugrestaurant. Alles, was hier aufgetischt wird, ist weit besser als das, was in regulären Zügen in Kanada oder den USA im Angebot ist. An Bord des Rocky Mountaineer wird nämlich richtig gekocht.
Beim eingangs geschilderten Lunch im Wald haben die Gäste die Wahl zwischen Steak und Pazifiklachs mit Fenchel an Senfsoße. Pommes mit aufgewärmten Burgern? Gibt es hier nicht. Das Frühstück ist ebenfalls exquisit: Zur Begrüßung reicht Chase frischen Erdbeer-Ananas-Saft, danach serviert er Eggs Benedict, Buttermilch-Pfannkuchen und ein Soufflé aus Spinat, Feta und Ei.
Die Passagiere auf dieser Tour stammen überwiegend aus den USA. Einige wollten die Tour schon 2020 machen, dann kam Corona. Andere hatten Europa-Pläne: „Ich wollte eigentlich mit dem Orient-Express von Venedig nach Wien reisen“, sagt eine Dame aus Kalifornien, „aber die Tour wurde gestrichen.“ Nun also Kanada.
Im Rocky Mountaineer gibt es zwei Klassen
Anzeige
Anzeige
Wald, Wald, Wald entlang des Fraser River. Zwischendurch Brücken, teils schwindelerregend hoch, und schroffe Felsformationen. Maximal ein paar Häuser. Fast kein Mensch. Zurück im Oberdeck, die stete Suche nach dem besten Ausblick. Einige Gäste sind so aufgeregt, dass sie immer wieder aufstehen, statt die Fahrt im weichen Polstersessel zu genießen.
Chase greift zum Mikro, erläutert die Bedeutung der Lachse im Fluss, das Schicksal der indigenen Ureinwohner, die Geschichte des Eisenbahnbaus. Für das damals arme, dünn besiedelte British Columbia war das Versprechen Kanadas, es für den Schienenverkehr zu erschließen, ein Grund, dem jungen Staat beizutreten. 1871 wurde British Columbia Teil der 1867 gegründeten Kanadischen Konföderation, 1885 waren die Gleise verlegt.
Seit gut 30 Jahren bedient der private Rocky Mountaineer mit zehn Lokomotiven und 44 Passagierwaggons die Strecken. Ein Teil der Wagen wurde in den 1950er-Jahren gebaut und später generalüberholt, andere kamen ab 1995 neu hinzu. Es gibt zwei Klassen: SilverLeaf und GoldLeaf Class. Letztere ist teurer, bietet aber komfortablere Sitze mit eingebauter Heizung, gehobene Gastronomie und im unteren Teil am Zugende einen Austritt, genannt Vestibül.
Hier können Passagiere die Umgebung mit allen Sinnen erleben: das Pfeifen und Rattern des Zuges, das Heulen und Quietschen in den Kurven, die sehr frische Luft (Windjacke mitnehmen!), die Eiseskälte im Tunnel. Und vor allem die Natur: Die Wälder, das den Nebel durchbrechende Licht, den immer wieder auftauchenden Flusslauf.
Zum Schlafen geht es in ein Hotel
Der Zug schlängelt sich an Hell’s Gate vorbei, dem Höllentor. Es ist die engste Stelle des Fraser-Flusses, gerade mal 34 Meter breit. 750 Millionen Liter Wasser fließen hier täglich durch, doppelt so viel wie an den Niagara-Fällen. Eine schmale, rote Brücke spannt sich über die Schlucht.
Steward Chase lässt abstimmen: „Welche Musik wollt Ihr hören? 50er-, 60er-, 70er-, 80er-, 90er-Jahre?“ Klares Votum für die 70er, wenig verwunderlich angesichts der Dominanz der Grauhaarigen an Bord. Kurz darauf hallt Abbas „Dancing Queen“ aus den Lautsprechern. Und natürlich Baccara: „Yes, Sir, I can boogie.“ An Bord herrscht Klassenfahrt-Atmosphäre.
Nach der Musikstunde schaltet Chase um auf Weiterbildungsprogramm. Er erläutert den Unterschied zwischen den Unternehmen Canada National und Canadian Pacific. Kanada ist ein Eisenbahnland mit fast 50.000 Kilometern Gleisen; Chase erklärt geduldig, wem welche Gleise gehören. Diverse Güterzüge passieren das Nachbargleis in Gegenrichtung. Kohle, Kohle, Kohle. Baumstämme, Baumstämme, Baumstämme. Container, Container, Container. Fast endlos. Einmal zählen wir 172 Waggons, ein anderes Mal 186.
Lust auf Urlaub in Kanada? Hier gibt‘s mehr Tipps:
Highlight in Kanada
Nervenkitzel über dem Abgrund in Toronto
Kanada-Reise
Hohe Berge, wilde Bären und die Zeugen alter Kultur
Alberta in Kanada
In den Badlands zeigt sich die Schönheit der Leere
Länderkunde
In Nordwestkanada ruft man gern den Buschpilot
Ottawa
Ein Besuch in Kanadas unterschätzter Hauptstadt
Anzeige
Anzeige
Das anfangs schlammige Flusswasser ist inzwischen kristallklar. Doch der Wald wirkt mitunter versehrt, immer wieder sind Spuren verheerender Brände zu sehen: Jeden Sommer brennen in Kanada riesige Waldflächen. Kurz vor der Ankunft in Kamloops serviert ein Koch frisch gebackene Kekse – Essen wird in diesem Zug wirklich großgeschrieben!
In der Kleinstadt, 345 Meter hoch gelegen, verlassen die Passagiere nach 460 Kilometern den Zug. Per Bus geht es in ein Hotel in der Innenstadt; Schlafabteile hat der Rocky Mountaineer nämlich nicht. Das Gepäck steht bereits auf dem Zimmer.
Die imposanten Wasserfälle sieht man nur vom Zug aus
Der Bustransfer zum Zug am nächsten Morgen klappt reibungslos. Stramm nach Norden geht es heute, parallel zum North Thompson River. Anfangs dichte Wolken, doch dann bricht die Sonne durch und sorgt für Hochstimmung im Panoramawaggon.
Der Fluss ist weitläufig, bestückt mit Sandinseln, gesäumt von Sümpfen und Schilf. Die Berge werden höher. Ab und zu sind grasende Kühe zu sehen, aber keine Wanderer; manchmal springen Rehe in der Ferne über die Wiesen. Der Zug schiebt sich in die Höhe, heute scheppert Johnny Cash durch den Lautsprecher.
Die ersten Schneekuppen. Plötzlich ein Rauschen, das immer lauter wird. Und dann tauchen sie auf: die Pyramid Creek Falls. Fast 100 Meter tief stürzt das Wasser hier herab. „Die Wasserfälle kann man von keiner Straße aus sehen, nur vom Zug“, sagt Chase und klingt ganz stolz.
Am Nachmittag immer mehr mit Schnee bedeckte Berge. Chase berichtet von Bären und Elchen, die hier vom Lachs leben. „Dort sehen Sie Mount Robson, 3954 Meter hoch“ – fast 1000 Meter höher als die Zugspitze! Mount Robson ist der höchste Gipfel der kanadischen Rocky Mountains.
Würdevoll ragt der Berg mit seinem weißen Haupt in die Landschaft, die Amerikaner zücken ihre Kameras. Alles hier wirkt ausgesprochen nördlich. Dabei zeigt ein Blick auf die Weltkarte, dass sich der Mount Robson etwa auf der Höhe von Bremen befindet. Kanada fehlt eben, was bei uns für milde Temperaturen sorgt: der Golfstrom, die Wärmepumpe Nordeuropas.
Der Zug nähert sich der Endstation: Jasper, 1062 Meter hoch gelegen. Der Jasper-Nationalpark ist der größte in den kanadischen Rocky Mountains. Die meisten Passagiere wollen dort noch ein paar Tage verbringen, Natur unmittelbar erleben statt vom Zug aus.
Anzeige
Anzeige
Steward Chase serviert einen letzten Snack – Käse, Cracker, Weintrauben. „Bier? Wein? Etwas anderes?“, fragt er gewohnt charmant. Ist 16.45 Uhr zu früh für einen Rotwein? Kanadas Geografie mindert das schlechte Gewissen. Der Zug quert nämlich in diesem Moment die Grenze von British Columbia nach Alberta, wechselt damit von der Pazifischen Zeit in die Mountain Time Zone. Also ist es von einer Sekunde auf die nächste bereits 17.45 Uhr. Genau die richtige Zeit für ein Glas Merlot.
Informationen zur Bahn-Fahrt durch Kanada:
Anreise: Frankfurt–Vancouver nonstop mit Lufthansa oder Air Canada, Lufthansa fliegt auch ab München. Umsteigeflüge mit KLM oder Air France.
Rocky Mountaineer: Der Luxuszug fährt 2023 bis Oktober auf drei Routen ab Vancouver: über Quesnel nach Jasper, über Kamloops nach Jasper und über Kamloops nach Banff sowie jeweils auch in Gegenrichtung. Die beschriebene Tour („Journey through the Clouds“) dauert zwei Tage mit einer Hotelnacht, ab 1426 Euro in der SilverLeaf Class, ab 1930 Euro in der GoldLeaf Class; möglich sind auch drei, vier oder fünf Übernachtungen (rockymountaineer.com). Veranstalter bieten zudem Touren quer durch Kanada per Bahn an – mit The Canadian ab Toronto und dem Rocky Mountaineer ab Banff bis Vancouver, 16 Tage inklusive Flügen ab 6350 Euro bei geoplan-reisen.de, ab 7920 Euro bei lernidee.de.
Weitere Infos: destinationcanada.com
Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Destination Canada. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.com/de/werte/downloads.